Jan «Ich habe mich immer auch für Männer interessiert. Gleichzeitig sitzt in meinem Kopf ein heterosexuelles Familienbild»

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Illustration von Giulia Spagnulo: zwei Frauen und ein Mann sitzen und liegen auf einem Sofa, davor spielt ein Kind
Illustration: Giulia Spagnulo

Zum ersten Mal treffen sich Jan und Luna an einem Tanzkurs in der Gross-WG, in der Jan damals wohnt. Ein gutes Gespräch, bald ein gutes Date – und dann geht alles Schlag auf Schlag. Luna hat sich da vor noch nicht allzu langer Zeit von Francesco getrennt, mit dem sie zwei Söhne im Vorschulalter hat. Und Jan sagt: «Schon seit ich ein kleiner Bub bin, will ich Kinder, eine Familie. Ich habe mir immer vorgestellt, wie meine Hochzeit einmal sein würde.» Auch Luna kann sich vorstellen, noch ein Kind zu bekommen. Nicht gleich schon nach wenigen Monaten, aber als Luna unerwartet schwanger wird, ist für beide klar, dass sie das Kind behalten wollen. Als ihre Tochter zur Welt kommt, ist seit dem ersten Treffen gerade mal ein Jahr vergangen.

«Ich hatte einfach immer Angst vor einer langweiligen Beziehung», sagt Jan, der heute 34 ist. «Ich habe mir vorgestellt, wie wir alle zusammen mit dem Kind auf einem Wagenplatz leben – oder eine Weltreise machen, solche Sachen. Einfach bloss keine biedere Normalobeziehung. Aber wenn das Kind dann da ist, merkst du, dass das nicht ganz so einfach ist.»

Jan und Luna leben mit der Tochter und Lunas beiden älteren Söhnen in einem Haus mit vielen anderen jungen Familien. Gerade telefoniert Luna im Nebenzimmer mit ihrem Expartner Francesco: Monatsplanung. Die Söhne sind hauptsächlich bei Jan und Luna, Luna und Francesco teilen die Betreuung im Verhältnis von siebzig zu dreissig Prozent auf. Jan arbeitet selbstständig als Zimmermann, Luna hat ihr Studium unterbrochen und geht bis auf Weiteres keiner Lohnarbeit nach.

Manche Dinge sind «klassischer» geworden, als Jan sich das vorgestellt hat. Aber mittendrin fühle sich das gerade ziemlich gut an – und auch gar nicht so traditionell. Es sollen sich ja auch noch Dinge ändern können. Jan und Luna diskutieren ihre Beziehung auch innerhalb des turbulenten Familienalltags, hören gemeinsam Podcasts zum Thema. Momentan leben sie monogam, können sich aber vorstellen, eine andere Beziehungsform zu leben.

Jan sagt: «Ich habe mich immer auch für Männer interessiert und das vor der Zeit mit Luna auch ausgelebt. Gleichzeitig sitzt in meinem Kopf ein heterosexuelles Familienbild. Ich habe mir das so sehr gewünscht, beides zusammen war kaum denkbar. Kann schon sein, dass ich also eher den Kontakt zu Frauen gesucht habe, obwohl ich mich eigentlich als bisexuell verstehe. So richtig in einen Mann verliebt habe ich mich aber noch nie. Das war sicher ein Thema vor Luna: ob ich vielleicht eigentlich schwul bin und es einfach nicht zulasse. Zum Glück habe ich mich ausprobiert. Da habe ich festgestellt, dass ich kein Begehren unterdrücken muss. Und dann habe ich mich halt in Luna verliebt.»

Das Patchworkfamilienleben ist anstrengend: Viel Zeit zu zweit bleibt da nicht. «Manchmal denke ich mir, uff, heute hab ichs richtig gut gemacht, alles ist gut gelaufen. Und dann merke ich, es ist erst Mittag.» Umgekehrt ist es genau das, was es für Jan ausmacht: «Ich mag es, wenn Dinge schnell passieren, wenn viel los ist, ich habe auch eine Tendenz, mich fast reinzustürzen in Beziehungen, mich voll einzulassen.» Es sind sehr volle Tage mit den zwei Jungs, dem Baby und Francesco, Lunas Exmann. Er wünsche sich, mit ihm einmal wirklich befreundet zu sein, aber das brauche wohl noch seine Zeit. «Vielleicht ist das jetzt eben mein Weg, keine langweilige Beziehung zu führen.»