Science-Fiction: Alle gegen alle im All

Nr. 13 –

Die Serie «3 Body Problem» erzählt von einem Angriff Ausserirdischer, basierend auf den vielgerühmten Romanen des chinesischen Autors Cixin Liu. Bei Netflix stehen nun Models am Teilchenbeschleuniger.

Still aus der TV-Serie «3 Body Problem»: Benedict Wong als abgehalfterter Ermittler
Warum gibt es auf einmal eine Suizidwelle unter den brillantesten Physiker:innen? Benedict Wong als abgehalfterter Ermittler geht der Sache nach. Still: Netflix

Jahr für Jahr werden neue Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems entdeckt, allein 2023 waren es laut Wikipedia 224. Schön, denkt man sich unbedarft, wenigstens bei der Erkundung des Weltalls scheint die Menschheit auf gutem Weg. Und warum sollte ein neu identifizierter Planet auch Anlass zur Sorge bieten – das wäre ja absurd, oder etwa nicht?

Wer die Bücher von Cixin Liu kennt, blickt wohl nicht mehr so arglos in den Nachthimmel. Die «Trisolaris»-Trilogie, durch die der chinesische Science-Fiction-Autor im vergangenen Jahrzehnt weltberühmt wurde, beruht auf einer beunruhigenden Hypothese: Was, wenn das Universum alles andere als ein freundlicher Ort ist, nämlich Schauplatz eines erbarmungslosen Kampfes aller gegen alle, in dem ein neu entdecktes Planetensystem immer auch ein Todesurteil für die Erde und deren Bewohner:innen bedeuten kann?

Dystopischer Kosmos

Diese in immer dickeren Büchern entwickelte Dystopie kosmologischen Ausmasses hat Netflix nun zu einer Serie verfilmen lassen – und zwar von D. B. Weiss und David Benioff, die mit «Game of Thrones» schon einmal aus einer fantastischen Vorlage einen Serienhype fabrizierten. Die Adaption beginnt zunächst wie die Romanreihe, nämlich im Chaos der Kulturrevolution. In Peking im Jahr 1966 muss Ye Wenjie (Rosalind Chao) mitansehen, wie ihr Vater, ein Physikprofessor, von Rotgardist:innen in einem Schauprozess totgeprügelt wird – er hatte sich geweigert, der angeblich reaktionären Relativitätstheorie abzuschwören.

Die Tochter selbst wird zur Zwangsarbeit aufs Land verschickt. Weil sie aber ebenfalls eine talentierte Wissenschaftlerin ist, landet sie schliesslich in einer geheimen Anlage, von der aus Nachrichten ins All an potenzielle Ausserirdische gefunkt werden. Und tatsächlich erreicht die junge Frau eines Tages eine Antwort, allerdings eine recht verstörende: Es ist eine Warnung, ja nicht noch einmal zu senden, da andernfalls die Erde Ziel einer Invasion werde. Ye Wenjie tut es trotzdem.

Bis die Aliens aber wirklich in Erdnähe gelangen, wird es noch ein paar Jahrhunderte dauern, das Weltall ist ja eher weitläufig. Allein daran lässt sich ablesen, dass Lius Story keine Effekthascherei à la «Independence Day» ist. Der Autor – der noch immer in China lebt und in Interviews keine Regierungskritik übt – arbeitete lange als Computertechniker in einem Kraftwerk in Shanxi. In einem Interview sagte er einmal, primär aus Liebe zur Wissenschaft mit dem Schreiben begonnen zu haben.

Entsprechend sind seine Geschichten gewissermassen Illustrationen astronomisch fundierter Gedankenexperimente. Im Fall der «Trisolaris»-Trilogie zählt zu diesen etwa die Frage, wie man sich wohl das Leben auf einem erdähnlichen Planeten in einem System mit gleich drei Sonnen vorstellen müsste. Oder: Was geschähe auf der Erde, würde eine hoch überlegene Zivilisation aus dem All ihr Kommen in der Zukunft ankündigen? Gäbe es Möglichkeiten, den Aliens wenn nicht technologisch, so doch strategisch beizukommen?

Solchen Spekulationen verdanken Lius Romane ihren Reiz – wie auch dem Umstand, dass sie eben aus China stammen und sich auch als Gleichnis auf den Wettlauf zwischen dem überlegenen Westen und dem aufstrebenden Reich der Mitte lesen lassen. Die Serie nimmt sich allerdings den Büchern gegenüber viele Freiheiten, was in der eigentlichen Handlung deutlich wird. Die spielt in der Gegenwart und kreist um eine Gruppe junger Elitephysiker:innen, die sich plötzlich mit unerklärlichen Ereignissen konfrontiert sehen, etwa einer Suizidwelle unter Grundlagenforscher:innen. Und dann ist da noch ein rätselhaftes Virtual-Reality-Game: alles Vorboten des Angriffs der von Ye Wenjie einst kontaktierten Ausserirdischen.

Im Eiltempo voran

Benioff und Weiss haben diesen Erzählstrang von China in den Westen verlegt: Die Clique Hochbegabter besteht bei ihnen aus Oxford-Absolvent:innen, was prinzipiell legitim sein mag. Weniger nachvollziehbar ist, warum die Darsteller:innen derart perfekt gestylt sind, dass man sie sich eher beim Modeln in Unterwäsche denn beim Tüfteln am Teilchenbeschleuniger vorstellen kann. Immerhin: Benedict Wong in der Rolle eines abgehalfterten Ermittlers und Liam Cunningham als sinistrem Chefkoordinator der terrestrischen Defensivbemühungen sieht man wirklich gern beim Spielen zu.

Das Hauptärgernis bei «3 Body Problem» ist jedoch das im Vergleich zu den Büchern enorm geraffte Erzähltempo: Die Serie eilt von Wendung zu Wendung, schon nach fünf Folgen ist Band eins abgehakt. Zeit, sich in die faszinierenden Überlegungen aus Lius Büchern zu versenken, bleibt nicht, auch die Plausibilität der Erzählung leidet. Ähnlich war das schon im Finale von «Game of Thrones», dem ja eine ebenfalls überkomplexe Vorlage («A Song of Ice and Fire» des US-Autors George R. R. Martin) zugrunde lag.

Möglich, dass «3 Body Problem» in den Fortsetzungen besser in die Gänge kommt. Andererseits dürfte es dann zeitlich noch enger werden: Die Handlung der Romantrilogie erstreckt sich über knapp neunzehn Millionen Jahre.

«3 Body Problem», Staffel 1. Idee: David Benioff, D. B. Weiss, Alexander Woo. USA 2024. Netflix.