Serie: Ein Gespenst im Sonnensystem

Nr. 9 –

Wirklich interessante Science-Fiction ist keine Märchenstunde. Wozu brauchen Geschichten, die ausserhalb der Erdumlaufbahn spielen, Lichtschwerter und Telepathie, wenn die brüchigen sozialen Systeme der Menschheit und die Regeln der Physik alles wünschbare Drama bereits in sich tragen? Die Serie «The Expanse», eben in die fünfte Staffel gestartet, spielt zwar in der Zukunft – einer, in der die Menschheit das ganze Sonnensystem besiedelt hat –, die Konflikte aber sind (fast) die gegenwärtigen.

Eine von imperialen Fantasien getriebene «Urzivilisation», hier von der Erde unter der Führung der Vereinten Nationen verkörpert, sieht sich dem Widerstand einer einstigen Kolonie gegenüber, die sich auf dem Planeten Mars militaristisch und kollektivistisch neu organisiert hat. Noch weiter draussen, auf den dreckigen Stationen des ressourcenreichen Asteroidengürtels, beginnen die von beiden Fraktionen ausgebeuteten Belters langsam einen Aufstand.

Als ein rätselhaftes ausserirdisches Artefakt ins Spiel kommt, mit dem Potenzial, die brüchigen Kräfteverhältnisse fundamental zu verschieben, ist der Grundstein für eine der intelligentesten und unterhaltsamsten Science-Fiction-Serien der vergangenen Jahre gelegt.

«The Expanse» vereint sehr gekonnt jene zwei Elemente, die die Science-Fiction zu einer der ergiebigsten Erzählformen machen: die politische Allegorie und das Staunen ob der Möglichkeiten des Universums. Die Figuren – vom tragischen, Film-noir-inspirierten Detektiv über die machiavellistische Uno-Präsidentin bis zur versprengten Raumschiffcrew, der die fast schon überflüssige ProtagonistInnenrolle auferlegt ist – sind dabei besser geschrieben und sympathischer, als es eigentlich nötig wäre.

Als «Game of Thrones» im Weltraum wird die Serie gerne beschrieben. Das stimmt fast – nur dass es hier um Dinge geht, die die Menschheit auch in Zukunft noch betreffen werden.

«The Expanse», 5. Staffel. Basierend auf der Romanreihe von James S. A. Corey. Amazon Prime 2020.