«Starfield»: High in Cyberpunkcity

Nr. 39 –

Das Universum steckt voller Short Storys: Das jüngste Game des US-Entwicklers Bethesda bietet eine Spielerfahrung in Übergrösse.

Bildschirmfoto des Game «Starfield»: Explosion im Weltall
Opulent, detailreich – und ein bisschen mutlos: Das Game «Starfield». Bild: Bethesda Game Studios

Das alte Menschheitsrätsel, ob intelligentes Leben jenseits der Erde existiert, weckt wieder intensiveres Interesse. 2022 widmete der US-Kongress Ufo-Sichtungen eine Anhörung, und erst vor wenigen Tagen publizierte auch die Weltraumbehörde Nasa einen Bericht zum Thema. Handfestes ergab das aber nicht – dabei könnte angesichts der planetaren Misere die Konfrontation mit technologisch und intellektuell überlegenen Ausserirdischen nur als positiver Impuls wirken.

Auch in «Starfield» ist man in dieser Frage nicht wesentlich weiter. Die Handlung des Science-Fiction-Games setzt in der ersten Hälfte des 24. Jahrhunderts ein, die ehemalige Erdbevölkerung bereist dank gewaltiger Fortschritte längst die Milchstrasse, während ihr Heimatplanet verlassen um die Sonne kreist. Nur intelligente Aliens wollen sich partout nicht offenbaren: nichts zu sehen von schlauen Vulkaniern wie Mister Spock oder wenigstens knuffigen Wookiees wie Chewbacca. Stattdessen ist es an der oder dem Spieler:in, sich mithilfe einer Entdecker:innenorganisation namens Constellation auf die Suche nach mysteriösen Artefakten zu machen, die auf die Existenz einer fernen Zivilisation hindeuten.

«Skyrim» im Weltraum

So liesse sich verkürzt der Plot des neben «Baldur’s Gate 3» zuletzt am meisten herbeigefieberten Videospiels resümieren. Die Erwartungen an «Starfield» waren gewaltig, was vor allem daher rührt, dass es vom US-Entwickler Bethesda kommt. Dieser hat bereits eine Reihe sehr erfolgreicher Rollenspiele veröffentlicht, darunter das 2011 erschienene «Skyrim»: Das vom Bethesda-Designer Todd Howard verantwortete Fantasyepos zählt heute zu den Genreklassikern schlechthin. Kein Wunder, war die Aufregung gross, als vor ein paar Jahren bekannt wurde, dass Howard ein Projekt leitet, das die «Skyrim»-Erfolgsformel ins All übertragen sollte.

Die Ankündigung, «Starfield» werde gleich Hunderte Planeten zur freien Erkundung bereitstellen, kitzelte zusätzlich die Fantasie der Fans – ähnlich wie beim einst ebenfalls schwer gehypten Weltraumspiel «No Man’s Sky» (siehe WOZ Nr. 38/16). Doch wie bei Letzterem sorgt das fertige Produkt nun ebenfalls für Ernüchterung: «Starfield» ist nur bedingt ein Game, das die Galaxie in einen aufregenden Schauplatz für endlose Entdeckungsfahrten verwandelt, auch wenn tatsächlich sehr viele Himmelskörper ihrer Begehung harren.

Das hat primär profane technische Gründe. Die an sich gigantische Welt lässt sich nicht übergangslos bereisen, sondern der Spielfluss wird immer wieder von einem Ladebildschirm unterbrochen, dann etwa, wenn man sich in seinem Raumschiff im Orbit eines Planeten befindet und auf diesem landen möchte: Statt einfach durch die Atmosphäre zu brettern, muss man auf einer Karte herumklicken. Der Entdeckerlust ist das eher abträglich. «Warten im Weltall» betitelte deswegen etwa die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» spöttelnd ihre «Starfield»-Besprechung.

Gerecht wird das dem an allen Ecken und Enden überbordenden Spaceabenteuer nicht. Dessen Stärken liegen im Umfang und im Detailreichtum des Gebotenen. Allein schon, wie das Spiel die eigene Hintergrundstory präsentiert: Irgendwann stolpert man plötzlich durch eine mehrere Räume umfassende Ausstellung, die die Geschichte der Milchstrasse in den vergangenen Jahrhunderten minutiös aufarbeitet. Selbst nach zwanzig Stunden Spielzeit hat man den Eindruck, nur an der Oberfläche des Games gekratzt zu haben. Auch vergleichbare Titel, die ebenfalls unter gewaltigem Kapitaleinsatz realisiert wurden («Starfield» soll bis zu 400 Millionen US-Dollar gekostet haben), etwa «Red Dead Redemption 2» oder «The Witcher 3», wirken punkto Spielmechaniken wie auch narrativer Inhalte nicht derart opulent. Bethesda demonstriert, was in Sachen digitaler Weltentwürfe aktueller Stand der Produktivkraftentwicklung ist.

Pimp my Spaceshuttle

So ist besagte Artefaktjagd nur eine von vielen Geschichten, in die man sich verstricken lassen kann. Verschlägt es einen etwa auf den Hauptplaneten des «Freestar Collective», kann man, sofern man Lust darauf hat, dort anheuern, um in futuristischen Westernabenteuern Bösewichte zu jagen. Treibt man sich dagegen in der Cyperpunkmetropole Neon herum, bekommt man es mit zwielichtigen Unternehmern zu tun und darf ganz legal Hightechdrogen ausprobieren. Dazu kommen vielfältige Möglichkeiten, an Raumschiffen oder Handwaffen herumzubasteln, sowie Quests, in die man einfach so gerät – etwa wenn es im All zur Begegnung mit einer ausser Kontrolle geratenen künstlichen Intelligenz kommt, die Freude an philosophischen Diskussionen hat, auf Versuche aber, sie auf Werkeinstellungen zurückzusetzen, allergisch reagiert.

«Starfield» bietet ein Universum, das voller Science-Fiction-Short-Storys steckt, die mal besser, mal schlechter geschrieben sind, die erst den Charme von «Star Trek» versprühen, dann wieder an «Starship Troopers» erinnern. Ein innovativer Meilenstein ist das zwar nicht, dafür ist das Ganze zu inkohärent und auch zu mutlos, Unkonventionelles zu wagen. Guten Stoff, die Zeit zu überbrücken, bis endlich wirklich Aliens auf der Erde aufschlagen, bietet es aber allemal.

«Starfield» (Bethesda Game Studios). Für PC und Xbox Series. 80 Franken.