5G-Mobilfunk: Warnung vor dem Schnellschuss

Nr. 13 –

Der Bund könnte bald Mobilfunkfrequenzen für sogenannte Millimeterwellen vergeben. Was Telekommunikationsfirmen und die Digitalwirtschaft freut, beunruhigt die Ärzt:innen für Umweltschutz.

technische Einrichtung an einem Antennenmast
So richtig funkts noch nicht: Die Auswirkungen der für die 5G-Technologie benötigten Frequenzen auf unsere Körper sind kaum erforscht.

Die Hoffnungen in die 5G-Technologie sind gross, denn sie könnte endlich viele Versprechen der Digitalisierung erfüllen: schnelles mobiles Internet auch auf Hügeln, drohnengesteuerte Jätroboter auf Feldern, selbstfahrende Autos in der Stadt. Telekommunikationsunternehmen und der Bundesrat wollen den entsprechenden Ausbau des 5G-Netzes vorantreiben. Doch es gibt ein Problem: Derartige Anwendungen brauchen Mobilfunk auf höheren Frequenzen. Derzeit operieren Swisscom, Salt und Sunrise erst auf maximal 3,5 Gigahertz (GHz). Nun liebäugelt der Bundesrat mit der Vergabe von höheren Mobilfunkfrequenzen in den Bereichen 6, 26 und 40 GHz – sogenannten Millimeterwellen. Um den konkreten Bedarf an höheren Frequenzen zu prüfen, liess das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) kürzlich ein öffentliches Konsultationsverfahren durchführen. Bereits in drei Jahren könnte der Bundesrat die Frequenzen versteigern lassen.

Doch ein Teil der Schweizer Ärzt:innenschaft warnt: «Wir sind sehr besorgt über diesen Schritt», sagt Bernhard Aufdereggen gegenüber der WOZ. Der Walliser ist Präsident der Organisation Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU). In einer ans Bakom gerichteten Stellungnahme schrieben sie: «Millimeterwellen für die Kommunikationsnutzung sollten erst zugelassen werden, wenn eine verlässliche Risikobeurteilung möglich ist. Hierfür gilt es die Ergebnisse der angelaufenen Studien abzuwarten und in einer Gesamtschau zu bewerten.»

Zurückhaltung im Parlament

Die AefU meldeten sich im Konsultationsverfahren zu Wort, obschon sie gar nicht gefragt worden waren. Das Bakom wollte mit diesem nämlich bloss den Bedarf abfragen. Aufdereggen ist seit der Gründung des Vereins 1987 dabei. «Wir beschäftigen uns seit bald dreissig Jahren mit dem Thema Mobilfunkstrahlung. Dieses Wissen möchten wir früh in die politischen Prozesse einbringen», sagt er.

Die AefU sind und waren in wichtigen Gesundheitsschutzgremien des Bundes vertreten, etwa zu Lärm oder Lufthygiene. Sie stellen auch einen Vertreter in der beratenden Expertengruppe Berenis, die die Forschung über gesundheitliche Auswirkungen nichtionisierender Strahlung (NIS) verfolgt. Die Gruppe weiss: Millimeterwellen – elektromagnetische Wellen im sehr hohen Frequenzbereich – wirken anders auf den menschlichen Körper als tiefe Frequenzen. Wie genau, ist allerdings unklar. Eine Annahme lautet, dass sie eher an der Hautoberfläche absorbiert werden dürften. Dadurch wird die Haut stärker erwärmt. Welche Folgen dies haben kann und ob neben der Wärmeerzeugung weitere Wirkungen auftreten, ist ungewiss.

Die Technologie ist schlicht zu neu. Die Berenis schrieb in einem Newsletter im Juli 2020: «Im Hinblick auf die geplante zunehmende Nutzung des Frequenzbereichs oberhalb 6 GHz für die mobile Kommunikation gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nur wenige wissenschaftliche Studien.» Der Bundesrat weiss, dass der Forschungsstand noch ungenügend ist. Das Bundesamt für Umwelt hat erst letztes Jahr Forschungsprojekte in Auftrag gegeben. Die Laufzeit: zehn Jahre in zwei Etappen. Auch grosse internationale Forschungsinitiativen wie das Projekt «Goliat» der EU sind erst angelaufen.

Gleichzeitig gilt: Auch die Schädlichkeit der hochfrequenten Strahlung ist ungenügend nachgewiesen. Das ist auch AefU-Präsident Aufdereggen bewusst. «Bei anderen Umwelteinflüssen gibt es mehr Evidenz über krank machende Effekte. Aber wir sehen bei unserer Arbeit, dass immer mehr Menschen unter Mobilfunkstrahlung leiden. Wir müssen diese Leute ernst nehmen.»

Wie die parlamentarische Debatte über den Ausbau des 5G-Netzes im letzten Herbst zeigte, sind die Strahlengrenzwerte entscheidend dafür, wie die Schweizer Bevölkerung der neuen Technologie begegnet. Das Parlament stimmte dem 5G-Ausbau nur unter der Bedingung zu, dass die Grenzwerte nicht gelockert werden. Diese sind hierzulande wegen des starken Umweltschutzgesetzes eher tief. Weil nach wie vor unklar ist, ob die international empfohlenen Grenzwerte genügend schützen, kennt die Schweiz neben den Immissionsgrenzwerten zusätzlich tiefere Anlagegrenzwerte.

An jeder Ecke Filme streamen?

Doch hier hat der Bundesrat zuletzt an den Grenzen seiner Kompetenz getrickst. Mit dem sogenannten Korrekturfaktor erlaubt er den Telekommunikationsfirmen, den vorsorglichen Grenzwert punktuell zu überschreiten. Inwiefern dies mit dem Vorsorgeprinzip des Umweltschutzgesetzes vereinbar ist, muss nun das Bundesgericht klären. Bernhard Aufdereggen findet diese angekündigten Anpassungen der Berechnungsmethoden «sehr heikel», weil das Schutzniveau erneut gesenkt werden könnte.

Doch eine Versteigerung höherer Frequenzen ohne Grenzwertanpassung dürfte nicht im Sinn der Telekommunikationsfirmen sein. Sie forderten bereits bei der letzten Frequenzvergabe höhere Grenzwerte. Immerhin: Diesmal will der Bundesrat die «umweltrechtlichen Rahmenbedingungen» anpassen, bevor er neue Frequenzen zur Nutzung vergibt. Grundsätzlich kann der Bundesrat aber eigenmächtig per Verordnung handeln – und die Grenzwerte gegen den Willen des Parlaments und entgegen den Empfehlungen der eigenen Expert:innen erhöhen. Gründe dafür gäbe ihm die ambitionierte Hochbreitbandstrategie: Bis 2033 möchte der Bundesrat mit einem Förderprogramm eine möglichst flächendeckende Versorgung aller Geschäfte und Haushalte mit Bandbreiten von mindestens einem Gigabit erreichen und blitzschnelles Internet zum Standard machen.

Im Vordergrund stehen Glasfaserleitungen, es könnten aber auch Mobilfunknetze zum Einsatz kommen. Zudem schlägt der Bundesrat zur Finanzierung des Ausbauprogramms vor, die Einnahmen aus kommenden Versteigerungen der Mobilfunklizenzen zu verwenden. Wie erwähnt, könnte dieses Geld bereits in drei Jahren fliessen. Wichtige Akteur:innen wie die Eidgenössische Kommunikationskommission dürften dafür Hand bieten. Vor einem Jahr machte die damalige Präsidentin, Adrienne Corboud Fumagalli, keinen Hehl daraus, dass die Hochbreitbandstrategie für sie eine Wirtschaftsförderungsmassnahme sei.

AefU-Präsident Aufdereggen fordert zuerst eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. «Mobile Kommunikation ist heute nicht mehr wegzudenken, und auch wir nutzen sie. Wir fordern aber, dass so viel Datenverkehr wie möglich über Glasfaser und Kabel läuft.» Und dass der Stromverbrauch sowie die Nutzung digitaler Anwendungen genauer angeschaut werden. «Übermässige Smartphonenutzung kann der Gesundheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen schaden. Wir müssen doch nicht an jeder Ecke in der Lage sein, Hollywoodfilme übers Smartphone zu streamen.»

WOZ Debatte

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Kommentare

Kommentar von Branntweinessig

Do., 28.03.2024 - 06:54

Liebe WOZ, konzentriert Euch doch bitte auf relevante (Umweltschutz-)Themen und nicht so einen esoterischen Quatsch. Danke.