Mobilfunk: Mit 5G gegen das Klima

Nr. 49 –

5G-Infrastruktur: Wollen wir es Swisscom und Co. überlassen, welche Zukunft sie für uns einrichten?

Endlich ist der Bericht «Mobilfunk und Strahlung» da. Über zwanzig ExpertInnen haben ihn im Auftrag des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation erstellt. Manche mögen gehofft haben, da stehe nun drin, wie gefährlich Mobilfunkstrahlung ist. Tut es nicht. Trotzdem ist der Bericht relevant, weil er sich mit der Infrastruktur des 21. Jahrhunderts befasst.

Das Mobilfunknetz ist vergleichbar mit dem Strassennetz. Heute überdecken die Schweizer Strassen eine Fläche, die so gross ist wie der Kanton Thurgau. Sie sind verantwortlich für vierzig Prozent des inländischen CO2-Ausstosses. Wenn man heute bei Punkt null starten könnte, würde man die Mobilität vermutlich anders organisieren, um die Klimaziele rasch zu erreichen.

Das aktuelle 4G-Netz entspricht etwa den Hauptstrassen. 5G hingegen wird die Autobahn – mehrspurig, schnell, ohne Tempolimit. Swisscom, Sunrise und Salt sind daran, das Datenautobahnnetz auszurollen. Sie haben die Konzession dafür von der Kommunikationskommission «ComCom» erhalten, einer Kommission mit viel Macht und geringer politischer Legitimation. Der Bundesrat beruft die sieben «ComCom»-Mitglieder, die Kommission ist aber an keine Weisungen gebunden. Das ist, wie wenn eine frei schwebende Behörde einst private Konzerne beauftragt hätte, das Autobahnnetz zu bauen. Die Firmen hätten danach eigenmächtig entschieden, wie und wo sie Strassen bauen. Gemeinden oder Kantone hätten nichts zu sagen gehabt. Genau so funktioniert es beim Bau des 5G-Netzes.

Dass nun Private, Gemeinden und Kantone gegen den eiligen Ausbau des Netzes opponieren, überrascht deshalb nicht. Die Telekomfirmen halten dagegen und sagen, die Konzession verpflichte sie, das neue Mobilfunknetz möglichst rasch zu bauen. Deshalb verlangen sie, dass die Strahlenschutzgrenzwerte angehoben werden. Der Bericht «Mobilfunk und Strahlung» liefert nun fünf Szenarien, die diese Forderung stützen. Die Szenarien zeigen: Wenn der Grenzwert nicht angehoben wird, dauert der Ausbau des Netzes bis zu dreissig Jahre und wird unendlich teuer, weil es dazu mehr Antennen braucht. Mit höheren Grenzwerten geht es schnell und kostet wenig. Die teuerste Variante rechnet mit dreizehn Milliarden, die günstigste mit einer Milliarde Franken.

Mobilfunk wirkt luftig, leicht und körperlos. Die Infrastruktur hinter der Digitalisierung ist jedoch energieintensiv. Die weltweite IT-Branche mit ihren Rechenzentren verursacht heute fast doppelt so viel CO2 wie die zivile Luftfahrt. Der digitale Energieverbrauch steigt jährlich um neun Prozent, wie der Pariser Thinktank Shift Project errechnet hat.

Auch der Bericht «Mobilfunk und Strahlung» geht von einem gigantischen Wachstum aus. Der Datenkonsum explodiert, weil immer mehr Videos und Spiele gestreamt werden. Sechzig Prozent des heutigen Datenverbrauchs gehen auf Freizeitstreamen zurück. Das wird mit dem schnellen 5G weiter zunehmen. Doch warum muss man im Bus einen Film oder ein Game streamen? Das könnte man energieeffizienter tun. Zum Beispiel, indem man einen Film vorher zu Hause herunterlädt.

Alle reden vom Klimawandel und dass die Wirtschaft nachhaltig umgebaut werden müsste. Gleichzeitig wird die Infrastruktur der Zukunft hochgezogen, ohne darüber nachzudenken, wie klimafeindlich sie wird. Hauptsache billig. Einmal gebaut, wird sie ihre Eigendynamik entfalten, die kaum mehr zu stoppen ist.

Noch kann man es besser machen. Allerdings müssten dann einige Fragen politisch und nicht marktwirtschaftlich beantwortet werden. Zum Beispiel: Wie setzen wir die Digitalisierung nachhaltig um? Wie ergänzen sich dabei Glasfaser und Mobilfunk? Braucht es drei parallele Mobilfunknetze? Wäre ein einziger Netzbetreiber nicht effizienter – so wie Swissgrid beim Strom? Braucht es Rahmenbedingungen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Strasse? Und wollen wir es wirklich Swisscom, Sunrise und Salt überlassen, welche Zukunft sie für uns einrichten? Noch ist das Netz nicht gebaut. Noch könnte das frische Parlament die politische Hegemonie zurückerobern.