Durch den Monat mit «kurds und bündig» (Teil 5): Ist Reichweite alles?

Nr. 9 –

Die Podcaster Yoldaş Gündoğdu und Serhat Koca stellen Liveshows auf die Beine, die innert kürzester Zeit ausverkauft sind. Wenn einmal keine Folge erscheint, hagelt es Nachrichten. Die Loyalität ihrer Community macht die beiden glücklich, setzt sie aber auch unter Druck.

Yoldaş Gündoğdu mit Freund und Podcastpartner Serhat Koca und Hund Woody draussen unterwegs
«Die Community will unterhalten werden, sie will lachen, sie will Haltungen»: Yoldaş Gündoğdu (links) mit Freund und Podcastpartner Serhat Koca und Hund Woody.   

WOZ: Die «NZZ am Sonntag» erklärte letzte Woche, Stefan Büsser sei Ihnen in Sachen Popularität voraus: Ihre 10 000 Hörer:innen gegen seine 290 000 Zuschauer:innen.

Serhat Koca: Ich bin aus dem nicht schlau geworden. Wieso geht es da nur um unsere Reichweite? Popularität heisst doch nicht nur hohe Quoten, sondern eine loyale Community, die uns nahesteht. Sei es an den Liveshows …

Yoldaş Gündoğdu: … die wir alle innert kürzester Zeit ausverkauft haben …

Koca: … oder mittels all der Nachrichten, die uns täglich erreichen. Ich weiss nicht, ich fand es irgendwie weird. Und sowieso: Ich dachte immer, die NZZ sei eine solide Zeitung. Irgendwie habe ich in letzter Zeit das Gefühl, die gehen schüüch nach rechts …

Gündoğdu: Die NZZ ist u huere bürgerlich, Bro.

Koca (beugt sich zum Mikrofon): WOZ für immer!

Gündoğdu: Ich will nicht sagen, dass wir irgendwie krasser sind als Büsser. Es ist einfach eine andere Community, ein anderer Zusammenhalt.

Koca: Unsere Leute warten nicht nur auf neue Folgen, weil sie sich kaputtlachen wollen. Sie hören uns, weil sie sich nirgends sonst repräsentiert fühlen.

Gündoğdu: Für viele Menschen sind wir Kollegen geworden. Als würdest du jeden Montag Besuch von deinen Freunden bekommen.

Fühlen Sie eine Verantwortung gegenüber Ihrer Community?

Koca: Ja, schon. Druck auch. Letzte Woche erschien zum Beispiel kein Podcast, weil wir mit dem Umzug unseres Studios, mit Lohnarbeit und der Fernsehsendung beschäftigt waren. Am Montag kam um 5 Uhr morgens die erste Nachricht auf Instagram: «Hey, wo ist die heutige Folge?»

Gündoğdu: Am Anfang war unser Plan: Ich will eine Stunde lang mit meinem Freund zusammensitzen, plaudern, und es läuft ein Mikro. Das hat sich entwickelt: Die Community will unterhalten werden, sie will lachen, sie will Haltungen. Es sind jetzt nicht mehr nur wir zwei in der Garage, sondern es ist ein Business. Eine Stunde Folge sind sechs Stunden Arbeit. Wir stellen auch ganze Liveshows zusammen, mit Gästen und Liveacts. Wir haben ein sechsköpfiges Team, alles Freunde, die wir fair bezahlen. Das ist einfach eine andere Liga.

Was können Liveshows und der Podcast nicht?

Koca: Manchmal fragen mich Leute, was wir denn an diesen Liveshows machen. Ich sage dann: «Das, was wir immer machen. Wir reden miteinander.» Und die: «Dafür zahlen Leute?» Was soll ich sagen? Ja. Sie haben direkt was von uns und wir direkt was von ihnen.

Gündoğdu: Es ist ein krasses Zurückgeben der Community. Sie reagiert auf dich. Manchmal höre ich während der Show jemanden lachen und denke: Stimmt, die finden das ja lustig. Ich weiss nicht, wie ich das beschreiben soll, aber wenn es nur ich und Serhat in der Garage sind, ist mir das viel weniger bewusst.

Was ist schwerer auf der Bühne als im Studio?

Gündoğdu: Ich bin mega nervös. Auch wenn ich mehr Bühnenerfahrung habe als Sero. Der stand bei der ersten Show zum ersten Mal auf der Bühne.

Koca: Also in der sechsten Klasse stand ich mal mit meinen Klassenkameradinnen und -kameraden auf einer Bühne. Wir mussten eine Art Turnübung vorführen. So alle halten sich und machen eine Formation.

Gündoğdu: Warst du auf der Rudolf-Steiner-Schule oder was?

Koca: (Lacht.)

Gündoğdu: Serhat ist neben mir immer u huere calm. Fünf Minuten vor Showstart schaut er noch einen Match des FC Zürich auf dem Laptop. Und ich renne rum und bin gestresst. Oder er geht drei Minuten vor der Show noch einfach chillig aufs WC – und oben warten 300 Leute auf uns.

Haben Sie Rituale vor dem Start?

Gündoğdu: Kurz bevor es losgeht, laufe ich zu Serhat, berühre ihn an der Schulter und sage: «Bro, es geht los.» Er umarmt mich und sagt: «Es geht los.» Dann gehen wir auf die Bühne – und es geht los.

Das ist das letzte WOZ-Monatsinterview mit Ihnen beiden. Eine letzte, klassische Frage: Wo sehen Sie sich in der Zukunft?

Koca: Ich hab ein heimliches Ziel. In fünfzig Jahren will ich mit dir – jetzt ist das noch unmöglich, aber in fünfzig Jahren …

Gündoğdu: … ah, ins Weltall …

Koca: … ins Weltall fliegen.

Gündoğdu: Wie gut kenne ich diesen Typen.

Koca: Ich will mit dir ins All fliegen und einen allerletzten Podcast aufnehmen. Wir schauen auf die Welt runter, wo alles passiert ist. Wir schauen uns an, wir reden, eine Stunde, eine halbe Stunde oder zehn Stunden. Über alles. Über meine Kinder, über deine Kinder, was mich gekränkt hat, was dich kaputtgemacht hat, was uns happy gemacht hat. Das ganze Leben Revue passieren lassen. Weil nach achtzig, Bro, da kann es jeden Tag zu Ende sein.

Gündoğdu: Aber man kann doch auch woanders reden, ohne Podcast.

Koca: Doch, doch, das machen wir. Und die Einnahmen geben wir unseren Enkelkindern. Das wird unser Vermächtnis.

Als Serhat Koca (29) und Yoldaş Gündoğdu (28) vor zwei Jahren mit «kurds und bündig» anfingen, sagte Gündoğdu: «Das wird unser Sprungbrett.» Nach achtzig Folgen, dreizehn Liveshows und einer TV-Sendung (ab Frühjahr auf Pro Sieben) können sie sagen: Sprung geschafft.