Auf allen Kanälen: Print unter Druck

Nr. 12 –

Der absehbare Mangel an Druckkapazitäten in der Schweiz könnte die Transformation des Journalismus beschleunigen.

stilisiertes Foto: Transportband mit Zeitungen in einer Zeitungsdruckerei

Haben Schweizer Tageszeitungen bald ein Druckproblem, das sich auf die Schnelle kaum oder gar nicht lösen lässt? Wenn eintrifft, was die «NZZ am Sonntag» unlängst enthüllt hat, müssen sich etwa Regionalzeitungen wie der «Walliser Bote» oder das «Bieler Tagblatt» in den nächsten Jahren warm anziehen. Denn der TX-Konzern prüft den Verkauf der Liegenschaften, auf denen seine drei Zeitungsdruckereien in Zürich, Bern und Lausanne stehen. Wo derzeit noch täglich Papier durch die Druckstrassen gejagt wird, könnten bald grosse Wohnüberbauungen stehen, was dem TX-Konzern einen hohen dreistelligen Millionenbetrag einbringen würde.

Die «NZZ am Sonntag» nennt in ihrer Recherche mögliche Schliessungstermine: Demnach sollen die Druckereien zwischen 2029 und 2031 dichtmachen. Was gut für TX ist, wäre schlecht für viele Printzeitungen im Land, es hinterliesse einen Mangel an Druckkapazitäten, den noch bestehende grosse Zeitungsdruckereien, namentlich jene von CH Media in Aarau und St. Gallen, nicht ausgleichen könnten. Denn andere grosse Medienhäuser haben den Schritt, den die TX Group nun prüft, längst vollzogen: Swissprinters, im Besitz von Ringier und NZZ, schliesst Ende September in Zofingen seine letzte Druckerei.

Bleibt noch genug Zeit?

Der einstige Medienmanager Dani Sigel hat die Enthüllung auf der Medienplattform persoenlich.com eingeordnet, er betrachtet das Ende der Printzeitungen als nun endgültig terminiert – es fällt für ihn mit der Schliessung der genannten Druckereien zusammen. Und Sigel fragt: «Bleibt noch genug Zeit, die Leser vom Print ins Digital zu transformieren?» Seit zwei Jahrzehnten erodieren die Auflagen linear etwa um drei bis vier Prozent jährlich. Von 2009 bis 2023 hat sich die Auflage aller Zeitungstitel von rund 9 Millionen auf 4,5 Millionen halbiert. Noch Anfang der nuller Jahre boten viele Titel vier bis fünf Zeitungsbünde, bis zu hundert Seiten dicke Zeitungsbücher.

Eingebrochen sind also nicht bloss die Auflagen, sondern auch die Umfänge. Und damit die Auslastung der Druckzentren. Die Gewinnmargen sind knapp. Man kann viel sagen über die Manager:innen der TX Group, aber rechnen und Profitmaximierung können sie: Lohnen sich Investitionen in eine Technologie, deren Ende absehbar ist, noch? Schreibt man die lineare Entwicklung fort, wird die gedruckte Auflage aller Zeitungstitel Anfang des nächsten Jahrzehnts noch bei rund drei Millionen liegen.

Dennoch lässt sich das alte Geschäftsmodell – Anzeigen in gedruckten Zeitungen – nicht ohne Weiteres entsorgen. Das zeigt der Fall NZZ. Im aktuellen Geschäftsbericht weist das Unternehmen darauf hin, dass es seine Position im Printwerbemarkt stärken konnte. Der Anteil an Publikationen mit Themenschwerpunkten im Auftrag von Werbekunden habe zugenommen. Das Magazin «Z», das der «NZZ am Sonntag» beiliegt und sich um Luxusartikel dreht, wirft Werbegewinne ab. Es erzielte einen 16,6 Prozent höheren Werbeumsatz als im Vorjahr. Ohne gedruckte Zeitung wären diese Geschäfte tot.

Anwendungsfelder für KI

Ein zentraler Aspekt: Allein die Aussicht auf eine mögliche Schliessung der drei Druckereien, also die Angst vor dem baldigen Ende des Print, wird die digitale Transformation des journalistischen Geschäfts zusätzlich boostern. Die grossen Medienhäuser treiben diese inzwischen ohnehin mit grosser Geschwindigkeit voran. Auch hier gibt der Geschäftsbericht der NZZ einen interessanten Einblick. Im Deutschlandgeschäft legte die NZZ zu. Mittlerweile haben im Nachbarland 50 000 Haushalte die NZZ abonniert, es sind im Wesentlichen (deutlich günstigere) Digitalabos – ein Zuwachs von 25 Prozent in einem Jahr. Das Medienhaus investiert ausserdem gezielt in die digitale Ausbildung seiner Journalist:innen, und eine Arbeitsgruppe sucht nach «Anwendungsfeldern» für KI.

Zentral bleibt aber die Frage: Wie bringt man die Leser:innen vom Print ins Digitale? Denn ohne sie ist im journalistischen Geschäft alles nichts. In Deutschland ist man mancherorts schon einen Schritt weiter. Dort haben etwa Lokalausgaben der Mediengruppe Madsack, die Print aufgegeben und vollständig auf digital umgestellt haben, ihre Leser:innen eng begleitet und in Einzel- und Gruppenschulungen in die Nutzung der digitalen Angebote eingeführt.