Auf allen Kanälen: Von der Redaktion zur Informationsfabrik

Nr. 29 –

Die Coronakrise wird den Spardruck bei den Schweizer Medienkonzernen weiter verschärfen. Dabei war die Situation ohnehin schon deprimierend.

Drei der vier grossen Medienhäuser, die den Tages- und Sonntagszeitungsmarkt beherrschen, befinden sich auf Sparkurs. Das regional ausgerichtete Haus CH Media hat seit 2018 etwa 200 der 1900 Vollzeitstellen abgebaut. Sparvolumen: 45 Millionen Franken. Die NZZ Medien gleisten noch vor der Coronakrise ein Sparprogramm im Umfang von 12 Millionen Franken auf, 4 Millionen müssen ihre Redaktionen einsparen. Desgleichen die TX Group, die 20 Millionen einspart und vierzig Stellen bei den zentralen Diensten abbaut.

Täuschende Titelvielfalt

Die Coronakrise wird den Spardruck verschärfen und die Transformation der Medienlandschaft vorantreiben. Glaubt man TX-Group-Chef Pietro Supino, ist mit «sehr schlimmen» Folgen zu rechnen. Durchaus denkbar, dass beispielsweise in Bern das «Zweizeitungsmodell» verschwindet. Supino sagte dazu in einem Interview mit dem Branchenmagazin «Schweizer Journalist» mit entwaffnender Ehrlichkeit: «Aufgrund der rückläufigen Einnahmen ist aber die Nachhaltigkeit des Zweizeitungsmodells infrage gestellt.» Wenn die Titel «Bund» und «Berner Zeitung» verschwinden – wie heisst dann die neue Berner Zeitung? Oder bedarf es überhaupt noch einer regionalen Pseudoidentität?

Die TX Group ist ohnehin so aufgestellt, dass MedienkonsumentInnen im Gestrüpp des milliardenschweren Unternehmensverbundes den Durchblick längst verloren haben, wenn sie ihn denn je haben wollten. Das gilt inzwischen selbst für die in einem eigenen Unternehmen zusammengefassten Bezahlmedien. Die simulierte Titelvielfalt verwirrt. Denn tatsächlich werden diese Geistertitel mehr oder weniger von «Teams» zentral bespielt, zumindest die Mantelteile. Ein Zeitungstitel mit unterschiedlichen Regional- und Lokalressorts würde die innere Realität transparenter abbilden.

Die LeserInnen haben sich im Laufe der Fusionen und Restrukturierungen ohnehin längst von dem gelöst, was man einst als Leibblatt umschrieb. Kaum eine Leserin, kaum ein Leser regt sich mehr auf, wenn Stellen gestrichen werden. Aufgelöst hat sich mittlerweile auch die Bindung nach innen. Welche Journalistin, welcher Journalist identifiziert sich mit einem Zeitungstitel ohne selbstbestimmte Redaktion? Eine eigenständige Redaktion ist etwas anderes als ein Konglomerat von Teams. Willkommen in der Informationsfabrik.

Das gilt im Prinzip auch für den anderen grossen Tageszeitungsverbund namens CH Media. Dieser lässt sich zwar nicht mit dem Konzern TX Group vergleichen. Er konzentriert sich aufs publizistische Geschäft. Aber auch hier sind die Eigenständigkeit simulierenden Zeitungstitel bloss Staffage, ein laues Zugeständnis an eine Tradition, die es nicht mehr gibt. Das Sagen hat Peter Wanners Zentrale in Aarau. Das liess der Verleger die Redaktionen spüren, als er nach der Fusion die neue Mantelredaktion nicht in Zürich stationierte, wie es sich vor allem die Redaktion des «St. Galler Tagblatts» und Superchefredaktor Pascal Hollenstein sehnlichst wünschten, die zunächst auch aufmuckten. Als Peter Wanner ungerührt auf Aarau als Sitz der Mantelredaktion beharrte, verwandelte sich der Unmut rasch in stille Demut. So viel zum Selbstbewusstsein der JournalistInnen.

Gegen den Trend

Anders gelagert ist der Fall der publizistikgetriebenen NZZ Medien. Trotz Sparmassnahmen – die Redaktionen müssen vier Millionen Franken beisteuern – werden die Unabhängigkeit und der unterschiedliche Stil der beiden Redaktionen von NZZ und «NZZ am Sonntag» nicht angetastet. Zumindest die NZZ agiert gegen den Trend. Das Blatt hat ihr Identifikationsangebot für Marktgläubige und Neoliberale in den vergangenen Jahren kräftig um das Angebot für Rechtskonservative erweitert.

Mit der Bekanntgabe der Sparmassnahmen verknüpften die Chefs an der Falkenstrasse ausserdem eine selbstbewusste Botschaft: Ausbau des Deutschlandgeschäfts sowie bis 2030 eine Steigerung der Auf‌lage (vor allem der digitalen) bei beiden Titeln von aktuell 187 000 auf insgesamt 400 000. Fragt sich bloss, zu wessen Lasten die Investitionen in Deutschland gehen.