Endstation Ruanda

Am Montag um 21.30 Uhr lud Premierminister Rishi Sunak seine Fraktion auf eine Runde Drinks in seinem Büro ein. Es stehe eine «historische Nacht» bevor, hiess es in der Einladung – offenbar gab es Anlass für eine vorgezogene Feier. Wenige Stunden später, kurz nach Mitternacht, war es so weit: Nach wochenlangem Hin und Her stimmte das britische Oberhaus der Ruanda-Vorlage zu, somit kann das kontroverse Gesetz in Kraft treten. Grossbritannien kann «irregulär eingereiste Migrant:innen» nach Ruanda abschieben – ganz egal, woher diese ursprünglich stammen. Sunak selbst sprach danach von einem «Meilenstein».

Keine Frage: Es ist ein durchschlagender Erfolg für den Premierminister. Sein Plan, «irreguläre Migrant:innen» nach Ruanda zu deportieren und die Asylverfahren ins subsaharische Afrika auszulagern, hat die entscheidende Hürde genommen. Das Gesetz erklärt Ruanda zu einem sicheren Drittland (obwohl das Oberste Gericht im November zu einem anderen Schluss gekommen war) und verhindert so, dass der Ausschaffungspakt gerichtlich angefochten werden kann.

Sunak hofft, dass ihm das Deportationsabkommen mit der Regierung in Kigali helfen wird, sein wichtigstes Versprechen einzulösen, nämlich die Bootsüberfahrten über den Ärmelkanal zu stoppen. Die drohende Ausschaffung nach Ruanda soll Geflüchtete davon abhalten, die Reise nach Grossbritannien überhaupt erst anzutreten.

Die Flüchtlingsorganisation Refugee Council kam in einer ausführlichen Studie letztes Jahr zum Schluss, dass ein anderes Szenario wahrscheinlicher ist: Geflüchtete werden grössere Risiken eingehen. Sie könnten beispielsweise versuchen, den Küstenwachen, die Migrant:innen oft aus seeuntüchtigen Booten retten, aus dem Weg zu gehen. So könnten sie einfacher untertauchen und verhindern, dass sie mit den britischen Migrationsbehörden in Kontakt kommen.

Es gäbe einen einfachen Weg, Todesfälle im Ärmelkanal zu verhindern: Sichere Asylrouten zu öffnen, damit die gefährliche Seereise gar nicht nötig ist. Aber die britische Regierung hat praktisch alle diese Routen geschlossen. Sie setzt stattdessen auf Härte und Abschottung.

Am Dienstag bei Tagesanbruch, viele Stunden nach der feuchtfröhlichen Feier in Sunaks Büro, ertranken fünf Migrant:innen vor der Küste von Frankreich, darunter ein siebenjähriges Mädchen. Sie hatten sich in ein völlig überfülltes Gummiboot gesetzt, um nach Grossbritannien zu gelangen. Mehrere Dutzend Insassen des Boots wurden gerettet und zurück an Land gebracht. Aber rund fünfzig, so berichten britische Medien, wollten trotz des tödlichen Zwischenfalls nicht aufgeben, sie setzten ihre Reise fort.