Leser:innenbriefe

Nr. 13 –

Über 500 Orgelpfeifen

«Kali Malone: Hören, was kaum wahrzunehmen ist», WOZ Nr. 9/24

Eine Orgel mit 500 Pfeifen wäre ein Miniörgeli mit vielleicht sieben bis acht Registerlein, falls da noch eine Mixtur dabei sein soll. Eine Tastenreihe für die Hände umfasst 56 Töne und braucht so 56 Pfeifen pro Register, eine Pedalreihe für die Füsse 30 Töne beziehungsweise 30 Pfeifen pro Register. Eine Mixtur benötigt gar mehrere Pfeifen pro Ton. Die ursprüngliche Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirchen-Orgel hatte 103 Register und somit sicher über 5000 Pfeifen, wurde aber 1943 zerstört. Da die neue Orgel anno 2018 durch digitale Register und Midi-Synthesizer «gestreckt» wurde (63 reale Pfeifenregister), ist zweifelhaft, ob sie über 5000 Pfeifen verfügt und demnach einfach eine Null abhandengekommen wäre.

John Cage sprach von «drones», wenn er von seinem Kühlschrank erzählte, vermutlich weil «noise» zu abwertend klänge. Es geht eher um die Unterscheidung von Ton und Geräusch. Geigen oder Posaunen produzieren Töne, ein Kühlschrank oder ein Lastwagen Geräusche. Ein Lastwagen macht nicht per se Musik, es ist das bewusste menschliche Hören, das den Lastwagen zu einem Instrument machen kann.

Die Minimal Music, Kali Malone und erst recht Sunn O))) machen eine regressive Art von Drone-Music, weil sie tonal ist (Dur/Moll, Diktatur des Grundtons) und im Fall von Sunn O))) gar Viervierteltakt (Diktatur des Taktstrichs). Das progressive Gegenstück wäre die Drone-Music von John Cage.

Dank Rahel Jaeggi (siehe WOZ Nr. 8/24) können wir die nicht zielführenden Begriffe U- bzw. E-Musik, politische/apolitsche Musik, linke/rechte Musik und so weiter vergessen und schlicht von progressiver und regressiver Musik sprechen. Schleierhaft im Artikel von Jens Uthoff ist die Gleichsetzung von Alter Musik mit liturgischer Musik. Nur schon einen Minnesänger oder gar Francesco Landini, den man quasi als Soundtrack zu Boccaccios Softpornos («Decamerone») mithört, muss man nicht «vom Religiösen befreien». Auch ist die Nebeneinanderstellung von Malones Album «The Sacrificial Code» und dem Begriff der reinen Stimmung ein Rätsel. Ich höre da vor allem Schwebungen und nicht Obertöne, die man gemäss Uthoff in der Drone-Music besser wahrnehmen soll. Wer Obertöne hören will, gehe zum Obertongesang oder spiele auf der Geige ein paar Flageoletttöne. «ASLSP» von John Cage läuft in einer 639-Jahre-Version seit 2001 bis 2640 in Halberstadt.

Urs Egli, Organist, Zürich

Beihilfe zum Mord

«Rüstungsreport 2022: Wenig Wertschöpfung, viel Schaden», WOZ Nr. 49/23

Waffenexport ist Beihilfe zum Mord, auch Kriegsmaterialexporte in die USA, Deutschland und so weiter, auch Schweizer Waffenexporte in die Ukraine wären dies gewesen. Die USA sind in Kriege verwickelt, von Deutschland aus werden Drohnenangriffe der USA gesteuert, und Deutschland wie die USA sind in der Ukraine mit ihren Waffenlieferungen Kriegspartei. – Heute wären gewaltfreie Alternativen zur militärischen Verteidigung gefragt.

Im letzten Jahr hat die Schweiz für 955 Millionen Franken Kriegsmaterial exportiert. Nicht bekannt ist, wie viele Milliarden Schweizer Banken, Versicherungen und unsere Pensionskassen in Rüstungskonzerne investiert haben. Bekannt ist, dass Schweizer Institutionen von Januar 2019 bis Juli 2021 4,882 Milliarden US-Dollar in Firmen platziert haben, die nukleare Sprengköpfe fabrizieren.

Die ausländischen Rüstungskonzerne, in die helvetische Institutionen investieren, fabrizieren auch Bomben, Kanonen, Panzer, die in Kriegen zum Einsatz kommen. Diese Geräte töten im Krieg im Jemen, in Gaza oder in einem der hundert anderen Kriege, die im Gange sind. Kurz nach dem Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 haben US-Rüstungskonzerne riesige Mengen an Waffen an Israel geliefert, unter anderem mehr als 15 000 Bomben und 50 000 Artilleriegranaten.

Der Verkauf von Waffen an Terroristen und auch die Finanzierung dieser Verbrecher werden streng geahndet. Aber der Export von Kriegsmaterial, die Finanzierung von Waffengeschäften und die Geldanlage von Banken, Versicherungen und Pensionskassen in Rüstungskonzerne werden toleriert. Doch auch für Waffenexporte, für die Beihilfe zum Mord und die Finanzierung des Terrors des Krieges ist das Strafrecht nicht ausser Kraft gesetzt. Es gibt keinen strafrechtlichen Freipass für Fabrikanten und Politiker, die Rüstungsgüter liefern lassen, und Banken, die sich mit der Finanzierung von Rüstungskonzernen bereichern.

Unter Artikel 25 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs fallen nämlich Delikte wie Beihilfe zum Mord, zu vorsätzlicher Tötung, zu schwerer Körperverletzung und zu schwerer Sachbeschädigung. Gehilfe bei solchen Straftaten ist derjenige, welcher «zu einem Verbrechen oder zu einem Vergehen vorsätzliche Hilfe leistet», wer also auch «vorsätzlich in untergeordneter Stellung die Vorsatztat eines andern fördert». Diese Verbrechen sind laut Artikel 75bis des Strafgesetzbuchs unverjährbar und Offizialdelikte. Diese strafrechtliche Verantwortung hat der verstorbene Berner Jurist Christoph Bürki immer wieder klargestellt.

Heinrich Frei, Zürich