Solidarbühnen: Am Ende der Veranstaltung ein Anfang

Nr. 4 –

Kultur findet statt, oder? Wir stellen drei Initiativen vor, die entstanden sind, damit Kultur sichtbar bleibt: von Solidarität, Geld, Bühnen im Freibad und im Theater – und einem Geisterfestival.

«Ja, es ist ein Elend. Wir wissen es. Ok? Gut, fangen wir an»: Meret Hottinger und Samuel Schwarz vom «Maison du Futur» mit der ­Betriebsleiterin des Zürcher Letzibads Kristina von Holt (Mitte) hinter einer Skultpur von Laura Locher. Foto: Ursula Häne

Das Wasser im blauen Becken des Max-Frisch-Bads am Zürcher Letzigraben glitzert in der Sonne. Auf der Oberfläche schwimmen luftkissenähnliche Kunstobjekte, zwei kleine Mädchen spielen mit den grossen Schachfiguren neben dem Becken, eine Familie lässt auf der Wiese einen Drachen steigen, und ein junges Paar sitzt mit Kopfhörern auf den Ohren in der Sonne.

Es ist ein kalter Sonntag Anfang Januar, und das Letzibad ist nicht nur für SpaziergängerInnen geöffnet: Im Freibad findet seit Monaten auch Kultur statt. An diesem Sonntag ist es die «Monsterlesung» mit Texten von Friedrich Dürrenmatt – zum 100. Geburtstag des Schwergewichts. Michael Neuenschwander sitzt allein in einem geheizten Raum hinter Glasscheiben und liest in ein Funkmikrofon. Höchstens fünf BesucherInnen aufs Mal erhalten einen frisch desinfizierten Kopfhörer und können – mit Neuenschwanders Stimme im Ohr – gemütlich durchs Bad schlendern. Er liest Dürrenmatts «Mondfinsternis».

Seit Ende Jahr sind schweizweit alle Kulturhäuser geschlossen, Veranstaltungen mit Publikum in geschlossenen Räumen sind nicht mehr möglich. Seit dem 18. Januar sind auch Ansammlungen von mehr als fünf Personen verboten – drinnen wie draussen. Wie kann Kultur ohne physisch anwesendes Publikum überhaupt stattfinden? Gerade die darstellenden Künste knüpfen in einem bespielten Raum soziale Beziehungen in Echtzeit, sie leben von Momenten, die sich in ihrer gelebten Dichte nicht reproduzieren lassen. Welche neuen Projekte sind in letzter Zeit unter den Bedingungen von Corona entstanden? Was für Initiativen wurden initiiert, damit Kultur sichtbar bleibt? Und wie sieht es mit der Solidarität unter Kulturschaffenden aus, die mit Produktionsstau, Unplanbarkeit und ökonomischen Engpässen kämpfen?

«Die Freibäder den Freien»

Für Theatermacher Samuel Schwarz war bereits zu Beginn der Pandemie klar: «Die Kultur muss im Winter draussen stattfinden, wenn man nicht nur die Theaterschaffenden, sondern auch das Publikum schützen will.» Gemeinsam mit der Schauspielerin Meret Hottinger sitzt er in einem Raum des Max-Frisch-Bads, das letzten Sommer zu einer «Corona-Stage» umfunktioniert wurde. Initiiert und umgesetzt wurde die Stage vom «Maison du Futur», deren GeschäftsleiterInnen Schwarz und Hottinger sind, vom Kulturverein Max-Frisch-Bad und dem Theater Winkelwiese. Seit Juni finden hier Liveveranstaltungen statt: Ausstellungen, ein auf Bäume projiziertes Livekonzert oder eben Lesungen von Dürrenmatt-Texten. Indem der Ton über Funk übertragen wird, gibt es weder Ballungen von ZuschauerInnen, noch werden die NachbarInnen mit Lärm belästigt. Dadurch findet Kultur zwar im öffentlichen Raum statt – doch durch die akustische Isolierung ist man auf eine fast gespenstische Art von den anderen BesucherInnen abgeschottet. Allerdings fühlt man sich mit jenen, die auch Kopfhörer tragen, auf eine geheime, verschwörerisch anmutende Art verbunden.

«Die Kunst soll die öffentlichen Räume in Beschlag nehmen, die zurzeit brachliegen», ist Schwarz überzeugt. «Wie zum Beispiel die Freibäder. Die stehen uns ja zur Verfügung. Deswegen sagen wir: Die Freibäder den Freien, und nehmen so auch grad den Freiheitsbegriff zurück, der ja von rechts gepachtet wurde.» Das Problem sei, dass die subventionierten Theaterhäuser und Museen sich in ihren schwarzen Boxen selber verbunkerten, statt nach neuen Spielarten, nach Vernetzung und solidarischen Zusammenarbeiten zu suchen. «Dabei hat das Ende der Veranstaltungen, das jetzt da ist, ein unglaubliches Potenzial.» Und Meret Hottinger ergänzt: «Wir Künstlerinnen und Künstler müssen unbedingt von dieser Fixierung auf den Abendslot wegkommen und Flexibilität zeigen – denn möglich wäre sehr viel.»

«Hast Du ein Programm spielbereit, aber keinen Ort mehr, um dieses zu spielen?»: Dann bietet das Schauspielhaus Zürich eine leere Bühne und professionelle Technik an. Foto: Ennio Leanza, Keystone

Die InitiatorInnen des «Maison du Futur» haben auch ein Manifest verfasst, das ihre Ideen gut auf den Punkt bringt: «Be a spark in the dark», so der Titel, ein Funke im Dunkeln sollen wir also sein. Weiter steht da zu lesen: «Ja, es ist ein Elend. Wir wissen es. Ok? Gut, fangen wir an. Geht raus. Ihr braucht Raum. Streamt. Ja, aber bitte nicht nur nach Hause. Bildet Teams. Kuratiert euch selbst. Spielt auch tagsüber. Streamt den Ton auf Kopfhörer. Tanzt. Haltet die Abstände ein. Aber tanzt. (Denn dafür braucht ihr den Raum.)»

Zentral für Hottinger und Schwarz ist nicht nur der in Beschlag genommene Raum, sondern die Vernetzung mit möglichst vielen Institutionen, Vereinen, Organisationen – so, dass Ressourcen und Know-how ausgetauscht und geteilt werden können. Die Monsterlesung fand unter anderem in Kooperation mit dem Museum Strauhof, dem Sogar-Theater und Ensemblemitgliedern des Schauspielhauses Zürich statt.

Auch internationale Zusammenarbeiten werden im «Maison du Futur» umgesetzt: So schaltete sich die kurdische Künstlerin Zehra Dogan online den Theaterproben von Dürrenmatts «Ein Engel kommt nach Babylon» zu. Die Crew probte das Stück in einer türkischen Fassung, sie malte Bilder dazu. Diese sollen im Frühling am Ende einer mehrstündigen Wanderung durchs Emmental gezeigt werden, an der mit intermedialen Mitteln Dürrenmatts Werk sowie das Werk von Sherzad Hassan, der Dürrenmatt auf Kurdisch übersetzt hat, thematisiert werden. Die Auftritte der engagierten KünstlerInnen entlöhnt das «Maison du Futur» mit 500 Franken, was über der Richtgage von «t.» liegt, dem Verband freier Theaterschaffender der Schweiz. Auch die Proben sind bezahlt. Das Projekt wird vom Bund, der Migros und diversen Stiftungen finanziert.

Eine Solidarbühne nennt Schwarz das «Maison du Futur», und er wünscht sich noch viele weitere davon: «Was im ‹Maison du Futur› zentral ist, ist die solidarische Wertschöpfung», sagt Schwarz, «und wir Theaterschaffenden stehen nun in der Verantwortung, einander zu helfen, gerade was die Finanzierung und Einrichtung gemeinnützig eingesetzter Technologie betrifft.»

«Nutzt unsere Bühne!»

Einen Versuch in diese Richtung hat das Schauspielhaus Zürich Ende letzten Jahres gestartet. Es lancierte im November einen Open Call an freischaffende Theatermachende. «Hast Du ein Programm spielbereit, aber keinen Ort mehr, um dieses zu spielen? Ausgefallene Einnahmen? Und Bühnen-Heimweh?», steht im Aufruf auf der Website. Gegen ein pfannenfertiges Programm bietet das Schauspielhaus eine leere Bühne und professionelle Technik.

Findet ganz sicher nicht statt: Das Plakat mit dem weissen Strich wirbt für das Ghost Festival, das über 300 Acts verpflichtet hat.

Der Haken daran war jedoch: Von einer fixen Gage stand in dieser Ausschreibung nichts. Die KünstlerInnen sollten laut Annonce die Einnahmen der verkauften Tickets erhalten. Der Aufruf wurde gestartet, als noch Veranstaltungen mit bis zu fünfzig Personen erlaubt waren und die Tickets für dreissig Franken verkauft wurden. Ende Dezember kam jedoch das Veranstaltungsverbot, und Veranstaltungen können seither nur noch gestreamt werden – die Tickets werden für fünf, fünfzehn oder dreissig Franken verkauft.

Ende des Jahres äusserte sich der Performancekünstler Price, mit bürgerlichem Namen Mathias Ringgenberg, im «Tages-Anzeiger» kritisch zu diesem Aufruf: «So prekäre Arbeitsbedingungen, wie sie im Open Call geschaffen wurden, dürfen in einer Stadt wie Zürich einfach nicht möglich sein», sagt Price im Gespräch mit der WOZ. «Zürich ist eine der reichsten Städte der Welt, das Haus ist hoch subventioniert – unter diesen Umständen ist es einfach nicht in Ordnung, dass die Künstler das ganze Risiko auf sich nehmen müssen. Das sind Gamblingstrukturen, die nicht Standard werden dürfen.» Das Verwunderlichste sei, dass die Häuser auch noch glaubten, sie böten eine gute, unterstützende Struktur.

Price hatte sich erst nach einem längeren Mailverkehr mit dem Schauspielhaus, der der WOZ vorliegt, an die Öffentlichkeit gewandt. Er hatte sich ursprünglich auf den Aufruf beworben, und das Schauspielhaus wollte ihn auch einladen. Doch er zog sich schliesslich zurück, als das Schauspielhaus ihm – nebst unsicherer Gage – auch noch mitteilte, dass es ihm weder die Anreise aus Rom (wo er zurzeit Resident im Istituto Svizzero di Roma ist) noch eine Übernachtung in Zürich bezahlen könne. «Klar, es ist schon okay, dass man bei einer Livestreamübertragung anscheinend Tausende von Franken verdienen kann, aber man darf auch nicht vergessen, dass man auch null oder nur fünf Franken verdienen kann», sagt er. Die Künstlergage an der ZuschauerInnenzahl aufzuhängen, sei ein extrem problematisches Konzept, das sich an den InfluencerInnen orientiere: «More is more!»

Erfolgreiche Intervention

Er habe das Gefühl, sagt Price, dass die Leute vom Schauspielhaus nicht verstanden hätten, was das Problem sei. Deshalb sei er an die Öffentlichkeit gegangen. «Ich wollte die Diskussion eröffnen, damit sie begreifen, dass die Idee zwar vom Ansatz her gut ist, aber strukturell nicht alles stimmt. Damit sie das Ganze nochmals überdenken.»

Wie es aussieht, war Price mit seiner Intervention erfolgreich. Neu steht in der Open-Call-Ausschreibung: «Eine Mindesteinnahme von 1500 Franken pro Veranstaltung wird dabei garantiert.» Barbara Higgs, Leiterin der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit des Schauspielhauses, sagt auf Anfrage, es sei schon immer klar gewesen, dass die KünstlerInnen diese 1500 Franken bekommen würden, es sei einfach missverständlich kommuniziert worden. «Als wir den Open Call starteten, war die Situation so, dass die Künstler vor fünfzig Personen im Pfauen spielen konnten und mit einem Ticketpreis von dreissig Franken eine Gage von 1500 Franken gesichert war. Sichere Einnahmen waren somit immer klar», schreibt das Schauspielhaus in einem Mail.

Daniel Imboden, Leiter Theaterförderung der Stadt Zürich, die das Schauspielhaus jährlich mit 38 Millionen Franken subventioniert, bestätigt allerdings auf Nachfrage die Darstellung von Price: «Mit dem Schauspielhaus haben wir erst Anfang Januar Kontakt aufgenommen», schreibt er. «Uns war es wichtig, dem Schauspielhaus zu sagen, dass wir die Ausschreibung, die freien Künstler*innen ermöglicht, trotz Pandemie ihre Projekte zu zeigen, als Zeichen grundsätzlich sehr gut finden, dass wir aber das Abwälzen des finanziellen Risikos auf die Künstler*innen als problematisch einschätzen. Das Schauspielhaus hat uns dabei glaubwürdig vermittelt, dass sie inzwischen bereits eine andere Lösung mit einer Fixgage für die Künstler*innen gefunden hätten.»

Einer, der unter den neuen Bedingungen aufgetreten ist, ist der Schauspieler, Performer und Komiker Johannes Dullin. Am 17. Januar zeigte er auf der Pfauenbühne sein Programm «Johannes Dullin macht Stand-up», das live gestreamt wurde. Dass er dafür 1500 Franken bekommen würde, auch wenn er weniger Tickets verkaufen würde, stand in seinem Vertrag. «Erst dachte ich auch, dass man nur die Einnahmen bekommt, und so konnte ich die Bedenken von Price gut verstehen und finde es richtig, dass er reagiert hat», sagt Dullin. Ihn hat das Experiment gereizt, der erste Mensch zu sein, der auf der Pfauenbühne Stand-up-Comedy macht. Dieser Reiz war ihm wichtiger als der finanzielle Aspekt.

Das Mitmachen habe sich in jeder Hinsicht gelohnt: «Das Schauspielhaus hat mir vertraut aufgrund eines zweiminütigen Videos, das ich eingeschickt hatte, und seine ganze Riesenmaschinerie in Gang gesetzt: Da waren Kameramenschen, Beleuchter, Filmregie, Leute aus der Kantine – alle nur für mein Stand-up-Programm. Das hat mich sehr gefreut.» In seiner Show thematisiert Dullin die Situation des Streamings sehr bewusst, integriert sie ins Programm und kommuniziert anders mit dem Publikum, als wenn es live im Saal wäre. Für ihn ist klar, dass man nicht einfach eine für Publikum gespielte Show abfilmen und streamen kann, sondern nach neuen Formen suchen muss. Genau aus diesem Grund finde er die aktuelle Situation so spannend: «Man muss die eigene Kunstform überdenken, sie infrage stellen oder verteidigen.»

Wie rasch und ideenreich sich viele Kulturschaffende an neue Situationen anpassen können – unter anderem um sich und andere nicht zu gefährden sowie die ständig aktualisierten Schutzkonzepte einzuhalten –, war in letzter Zeit immer wieder eindrücklich zu beobachten. Doch ist es fair, diese Flexibilität auch direkt von ihnen einzufordern? Was ist mit denen, die das nicht können oder keine Lust dazu haben, ihre Kunst ganz anders darzubieten, als sie sich das vorstellen? Und kommen diese Fähigkeiten nicht überhaupt erst davon, dass Kulturschaffende auch jenseits der Pandemie ständig zur Flexibilität gezwungen werden?

Solidarität ohne Fake

Auch Popmusik gehört zu den darstellenden Künsten, nur ein Teil davon findet in Tonstudios, auf Kopfhörern und Lautsprechern statt. Wie gross der Verlust dieses sozialen Raums für den Pop ist, haben auch die mehr oder weniger kreativen, aber letztlich unbefriedigenden Versuche von gestreamten Konzerten gezeigt – mal abgesehen vom Problem der Finanzierung.

Nachdem öffentliche Grossveranstaltungen Ende Oktober wieder verboten worden waren, hatte eine Gruppe von Berner Kulturschaffenden eine bestechende Idee, die das Fehlen dieses sozialen Raums präzise abbildet: Das Ghost Festival ist ein Musikfestival, das nicht stattfinden wird. Es hat zwar ein Veranstaltungsdatum, den 27. und 28. Februar – aber das ist nur der Schluss einer Solidaritätsaktion. Der Erlös aus den virtuellen Tickets, die bis dann verkauft werden, geht direkt an die über 300 gebuchten Bands und EinzelmusikerInnen sowie an ihre TechnikerInnen, insgesamt knapp 1300 Personen. Ausgewählt wurden diese von drei Bookern aus verschiedenen Szenen. Auch das Ghost Festival ist eine Solidarbühne, nur einfach eine fiktive.

Es ist witzig, sich das Ghost Festival als reale Veranstaltung vorzustellen: vom Techno von Skiclub Toggenburg zu Stefanie Heinzmann, von Toni Vescoli zum Noise Rock von Asbest. Doch abgesehen davon, die Vielfalt der hiesigen Popszene zu zeigen, gehe es beim Ghost Festival in erster Linie darum, sich bei den MusikerInnen zu bedanken, sagt Mediensprecherin Gisela Feuz. «Was tun wir, während wir im Lockdown zu Hause sitzen? Wir hören Musik! Es geht manchmal vergessen, wie viel Arbeit in all den Songs steckt, die wir ständig fast gratis streamen können.» Zahlen zu den Ticketverkäufen nennt Feuz noch keine, aber die Erwartungen seien bereits «total übertroffen» worden.

Als die Anfrage vom Ghost Festival kam, hätten sie sofort zugesagt, sagt Sirup Gagavil, Gitarrist der Bieler Band Puts Marie. «Wenn man an die vielen Mühen der vergangenen Monate denkt, irgendwie Kulturveranstaltungen zu organisieren, die dann sowieso wieder abgesagt werden, ist dieses Festival doch völlig konsequent: Es kann nicht abgesagt werden.» Konzerte im Netz sind für Gagavil unvollständig, das Ghost Festival gewissermassen die Umkehrung davon: Solidarität, ohne etwas zu faken.

I. R., Bassistin und Sängerin der Berner Metalband E-L-R, die ebenfalls (nicht) am Ghost Festival auftreten wird, begrüsst es, dass die MusikerInnen bei dieser Aktion für einmal keine Gegenleistung erbringen. «Es geht um die Wertschätzung für unsere Arbeit. Mit dem Geisterfestival zeigen wir: Wir sind noch hier, und wir würden so gern spielen – wenn wir könnten.» Der letztjährige Tourkalender von E-L-R wäre voll gewesen; im Frühling änderte die Band dann kurzerhand ihre Pläne: «Wir waren produktiv, haben viel geübt und Songs geschrieben und im November angefangen, unser zweites Album aufzunehmen.» Die Konzerte hätten einen Teil des Albums finanzieren sollen, sagt I. R., darum sei ein kleines Zückerchen willkommen.

Man kann viel darüber nachdenken, wie Kultur in dieser schwierigen Situation noch stattfinden kann und soll, aber entscheidend ist dabei immer auch die Frage der Finanzierung: Sicher, es ist erfreulich, wenn Kultur allen Hindernissen zum Trotz stattfindet, nur müssen auch die ökonomischen Rahmenbedingungen der initiierten Aktionen mitgedacht werden.

Im «Maison du Futur» liest nun Jens Nielsen «Das Hirn» von Dürrenmatt. Gestikulierend sitzt er hinter dem Glas, seine Stimme dringt durch den Kopfhörer messerscharf ins Ohr: «Zuerst wird das Hirn nur fühlen, und weil es nichts ausser ihm gibt, das es zu fühlen vermag, wird es nur sich fühlen, aber da es mit nichts gespeichert ist, wird es nichts anderes fühlen können als Leere, es wird fühlen, dass es nichts fühlt.»

Am Ende der Lesung ist der Körper steif vor Kälte und der Verstand geschärft von Dürrenmatts Text. Die Kopfhörer werden entgegengenommen, sorgfältig desinfiziert und für künftige BesucherInnen bereitgestellt.