Predator Files: USA knüpfen sich Spyware-Firma vor

Es ist ein schwerer Schlag für das Intellexa-Konsortium, Hersteller der Spionagesoftware Predator: Gestern Dienstag gab das US-Finanzministerium bekannt, dass es neue Sanktionen gegen fünf Unternehmensgruppen und die beiden wichtigsten Führungskräfte verhängt hat.

Konkret geht es um Tal Dilian, einen ehemals hochrangigen israelischen Geheimdienstler, der als Gründer und starker Mann hinter Intellexa gilt, und seine Lebenspartnerin Sara Hamou, die innerhalb des bewusst kompliziert gehaltenen Unternehmensgeflechts leitende Funktionen innehat. Wie die WOZ und diverse internationale Partnermedien im vergangenen Oktober mit der Recherche #PredatorFiles aufgezeigt haben, besitzen Dilian und Hamou gemeinsam ein Chalet in der Unterwalliser Gemeinde Champéry.

Die damalige Recherche legte offen, wie die Intellexa-Verantwortlichen ihren mächtigen Predator-Trojaner an autoritäre Regimes wie Ägypten, Madagaskar oder Vietnam verkauft hatten – und wie die Spyware genutzt wurde, um gegen politische Opposition und auch gegen Journalist:innen vorzugehen. Genau das scheint nun zu den Sanktionen geführt haben. Bereits im Juli 2023 hatten die USA Sanktionen gegen Intellexa verhängt; diese sind nun aber ausgeweitet und präzisiert worden.

Wie das US-Finanzministerium schreibt, wurden die Sanktionen gegen die Intellexa-Unternehmensgruppen und -Führungskräfte verhängt «wegen ihrer Rolle bei der Entwicklung, dem Betrieb und der Verbreitung kommerzieller Spyware-Technologie, mit der US-Regierungsbeamte, Journalisten und Politikexperten ins Visier genommen werden». Wie die #PredatorFiles-Veröffentlichungen gezeigt haben, hatte das vietnamesische Regime im Rahmen einer Spionagekampagne über den Kurznachrichtendienst Twitter (heute X) unter anderem auch US-Kongressabgeordnete sowie einen CNN-Journalisten mit Predator anzugreifen versucht.

Das US-Finanzministerium schreibt weiter, kommerzielle Spyware werde «missbraucht, um Menschenrechtsverletzungen und die gezielte Verfolgung von Dissidenten auf der ganzen Welt zu ermöglichen, um diese zu unterdrücken und zu bestrafen». Zu dieser Schlussfolgerung kamen auch die #PredatorFiles. Eine der fünf Intellexa-Unternehmenseinheiten, die neu sanktioniert sind, ist die Thalestris Holding mit Sitz in Irland. Sie gilt als Mutterholding des Konsortiums. Wirtschaftlich Berechtigter ist mutmasslich ein Tessiner Treuhänder. Eine Tochterfirma mit demselben Namen ist nach wie vor in der Schweiz domiziliert: an der Adresse des Büros dieses Treuhänders in Luganos schicker Innenstadt.

Die neuen US-Sanktionen werfen ein grelles Schlaglicht auf die völlige Untätigkeit Europas – und der Schweiz – gegenüber einem Überwachungsunternehmen mit skrupellosen Methoden, das seinen Sitz in Europa hat und auch aus der Schweiz heraus operiert. Trotz der Entscheidung der USA kann Intellexa «weiterhin ungehindert in der Europäischen Union tätig sein. Niemand rührt einen Finger, weder die nationalen Behörden noch die Europäische Kommission», wie die niederländische Europaabgeordnete Sophie in ‘t Veld, Vorsitzende des Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments zu Spyware, auf X kommentiert.

Die #PredatorFiles waren eine kollaborative Recherche, initiiert vom deutschen Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» und dem französischen Investigativportal «Mediapart», bei der die WOZ zusammen mit zahlreichen Medien während über einem Jahr der Intellexa-Unternehmensstruktur und dem Einsatz von deren wichtigsten Spionageprodukten nachspürte. Koordiniert wurde die Recherche vom Recherchenetzwerk European Investigative Collaborations (EIC); technische Unterstützung leistete Amnesty International. 

Die gesamte Berichterstattung der WOZ gibt es hier.

Eine kürzlich gehaltene Präsentation von Lorenz Naegeli und Jan Jirát zum Thema finden Sie hier