Schweizer Konzern: Grosse Schiffe auf fragwürdiger Mission

Nr. 16 –

Allseas ist mit seinen Spezialschiffen weltweit gefragt. Vom Kanton Freiburg aus dirigieren die Manager:innen des Konzerns ein unübersichtliches Netz von Unternehmen.

Illustration von Alice Kolb: ein Schiff mit einem Verbindungskabel in die Tiefe

Der Hauptsitz der Allseas-Gruppe liegt in der Industriezone von Châtel-Saint-Denis im Kanton Freiburg. Von einer unscheinbaren Gewerbeliegenschaft aus steuern ein paar Dutzend Manager:innen die finanziellen Belange des Unternehmens mit seinen weltweit rund 4000 Beschäftigten. Der Konzern verlegt mit Spezialschiffen Pipelines auf den Meeresböden, baut Ölplattformen auf und ab, erstellt Windkraftanlagen im Meer – und ist inzwischen einer der wichtigsten Akteure im Rennen um das umstrittene Tiefseebergbaugeschäft (vgl. «Schatz am Meeresgrund»).

Allseas wurde 1985 in Châtel-Saint-Denis gegründet. Genaueres über das Innenleben des Konzerns zu erfahren, ist schwierig, Geschäftszahlen werden keine veröffentlicht. Zur Gruppe gehören Dutzende von Tochtergesellschaften rund um den Globus, deren gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse kaum zu entschlüsseln sind. Gründer und vermutlich alleiniger Besitzer von Allseas ist der 1947 in Holland geborene Edward Heerema. Anfang April hat er die Leitung des Konzerns formell seinem Sohn Pieter Heerema übergeben.

Recherchen im Handelsregister Freiburg fördern Verbindungen zu Briefkastenfirmen in Panama und den niederländischen Antillen zutage, lassen aber nicht nachvollziehen, woher das Gründungskapital für verschiedene Allseas-Unternehmen stammt. Klar ist: Der Konzern hat in den letzten vierzig Jahren ein unglaubliches Wachstum hingelegt. Ende 2018 wies er laut einem Dokument aus dem Handelsregister Luxemburg Vermögenswerte von 14,7 Milliarden Euro aus und verzeichnete einen Jahresgewinn von rund 178 Millionen Euro. Steuern zahlte er in der Schweiz rund 2,5 Millionen Euro. Dass Allseas seinen Sitz hier hat, dürfte also vor allem an den tiefen Steuern liegen.

Das grösste Schiff der Welt

Die Besitztümer des Konzerns sind in den Spezialschiffen und Werften angelegt. Das Flaggschiff ist die «Pioneering Spirit», ein Monster von 382 Meter Länge und 124 Meter Breite, so gross wie acht Fussballfelder. Es gilt als das weltweit grösste Schiff bezüglich Bruttoraum und Breite. Mit der «Pioneering Spirit» kann Allseas ganze Ölplattformen abtransportieren, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.

Bei seinem Stapellauf im Januar 2013 hiess das Schiff noch «Pieter Schelte», benannt nach dem Vater des Allseas-Gründers. Der Niederländer war im Zweiten Weltkrieg Mitglied der Waffen-SS und laut Gerichtsunterlagen bekennender Antisemit. Als die Niederlage Deutschlands absehbar wurde, wechselte er im Juni 1943 die Seite und flüchtete später in die Schweiz. Nach dem Krieg wurde er in den Niederlanden zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt, kam aber nach rund einem Jahr frei. Der Name des Schiffs führte denn auch zu anhaltenden Protesten von jüdischen Organisationen und Überlebenden des Naziterrors. Erst Anfang 2015 stimmte Edward Heerema zu, das Schiff umzutaufen.

Zentrale Figur des Konzerns in der Schweiz ist der Steuerexperte Gaston Baudet, der in vielen Allseas-Firmen im Verwaltungsrat sitzt. Baudet, einst Präsident des HC Fribourg-Gottéron, präsidiert immer noch die Bykov-Stiftung, eine gemeinnützige Vereinigung des früheren Eishockeyspielers Slawa Bykow, der die russische Invasion in die Ukraine vehement verteidigt. Im Verwaltungsrat dieser Stiftung sitzt auch der umstrittene frühere Hockeyfunktionär René Fasel, dem ebenfalls grosse Nähe zum russischen Regime nachgesagt wird.

Auch Allseas selbst hat immer wieder mit Russland zu tun: So war das Unternehmen an der Verlegung der 900 Kilometer langen russischen Gaspipeline Turkstream im Schwarzen Meer beteiligt. Beim Bau der Ostseepipeline Nordstream 2 spielte Allseas eine zentrale Rolle – bis es 2019 auf Druck der USA seine Arbeit an der Pipeline einstellte.

Spekulation in der Tiefsee

Im gleichen Jahr stieg Allseas ins Tiefseebergbaugeschäft ein. Dabei ging der Konzern eine «strategische Allianz» mit The Metals Company (TMC) ein. Ein Jahr später gab Allseas den Auftrag für den Umbau eines Bohr- in ein Tiefseebergbauschiff. Edward Heerema prognostizierte damals, dass bereits 2024 mit dem kommerziellen Metallabbau in der Tiefsee begonnen werden könne. Allseas hat sich das Recht auf eine Beteiligung an den künftigen Gewinnen aus den in der Tiefsee geförderten Erzen gesichert. Im Gegenzug investiert das Unternehmen bis zu hundert Millionen Euro in die Entwicklungskosten. Geplant ist etwa die Anschaffung eines zweiten Spezialschiffs.

Für Allseas ist der Tiefseebergbau ein Spekulationsgeschäft: Werden in absehbarer Zeit Lizenzen für den kommerziellen Abbau vergeben, kann der Konzern Milliarden verdienen. Sollten sich dagegen Umweltverbände und die skeptischen Staaten in der Internationalen Meeresbodenbehörde durchsetzen, würde TMC wohl Konkurs machen. Allseas hätte einen Verlust zu verbuchen, könnte aber weiter bestehen. Die Manager:innen wissen: Ihre Spezialschiffe werden noch lange gebraucht.

Illustration von Alice Kolb: ein Tiefseeroboter welcher Manganknollen erntet zwischen einem Haifisch, einem Kraken und Tiefseefischen