Genderverbote: Wer hat Angst vor Sternchen?

Nr. 14 –

Liebe Leser:innen. Diese Anrede ist in den Schulen, Hochschulen und Behörden Bayerns seit Montag verboten. Nicht nur die Verwendung des Doppelpunkts, auch der sogenannte Genderstern und andere Formen, die eine sprachliche Inklusion mehrerer Geschlechter bezwecken, wurden von der im Freistaat Bayern regierenden CSU untersagt.

Wer glaubt, von der Entgleisung des Diskurses um eine behauptete «Sprachdiktatur», die mit dem Gendern einhergehe, sei man hierzulande noch ein Stück weit entfernt, liegt leider falsch. Während in der Stadt Zürich bereits vor einem knappen Jahr die Initiative «Tschüss Genderstern!» eingereicht wurde, sammelt seit Januar ein SVP-dominiertes Komitee Unterschriften für ein Verbot der «Gendersprache» an den Schulen im Kanton Baselland.* Auf den Plakaten visualisiert als abstossendes «Gendermonster», jage die Sprache Kindern Angst ein, weil sie fürchteten, jemanden zu diskriminieren, wenn sie keine inklusive Sprache verwendeten. Man könnte nun anmerken, dass Angst diesbezüglich zwar ein gar starkes Gefühl, an der Stossrichtung, grundsätzlich niemanden diskriminieren zu wollen, jedoch nichts verkehrt sei.

Im Kanton Schwyz ist man eher wütend als ängstlich: «Schwyz gendert nicht!», schreit es einem auf der Website der kantonalen Jungen SVP entgegen. Die Anfang Februar von ihr lancierte Initiative setzt sich offiziell «für eine einfache und verständliche Sprache ein». Die Initiative bekämpft aber nicht nur das, was gemeinhin und auch im Baselbiet mit Gendern gemeint ist, also die Verwendung von Sprachformen, bei denen zwei oder mehr Geschlechter gemeint sind – sondern sogar den Gebrauch weiblicher Endungen. Hier sollen Behörden künftig für alle Menschen das generische Maskulinum verwenden, «sofern sich im Einzelnen nichts anderes ergibt».

Daraus, dass es bei den Sprachverboten um mehr als nur die Sprache geht, machen die Befürworter:innen keinen Hehl. Stets wird auf eine sich angeblich in gegenderten Formulierungen versteckende Ideologie verwiesen, die «Woke-Ideologie» oder den «Genderismus», den es zu bekämpfen gelte. Und genau deswegen sind diese Initiativen so gefährlich: weil der in ihnen zutage tretende antifeministische Backlash nicht bei der Sprache haltmacht. Vielmehr ist er Ausdruck einer globalen reaktionären Bewegung, die dort, wo sie Erfolg hat, erreicht, dass Abtreibungen kriminalisiert werden, dass Unterricht über sexuelle Orientierung abgeschafft wird, dass trans Personen Angst haben müssen, ihre Identität zu leben.

Wie eine vor wenigen Tagen erschienene Recherche des «Blicks» aufdeckte, hatten die treibenden Köpfe hinter den beiden laufenden kantonalen Initiativen nachweislich mit der Jungen Tat Kontakt. Das zeigt einmal mehr, dass der Kulturkampf gegen alles «Woke» eine Brücke nach ganz rechts baut. Die Absurdität des Vorhabens, einer behaupteten «Sprachdiktatur» mit einem Sprachverbot entgegenzutreten, ist darum eigentlich keine: Sie passt vorzüglich zur autoritären Denkweise, die viele von jenen vereint, die sich den Kampf gegen «Gendergaga» auf die Fahne schreiben.

Mit etwas Optimismus kann man dem Ruf nach Sprachverboten aber doch etwas abgewinnen. Denn auch wenn die Rechte mit dieser Art von Politik die in Teilen der Bevölkerung vorhandenen Unsicherheiten für ihre Zwecke schürt und instrumentalisiert – vielleicht steckt doch auch ein bisschen echte Angst dahinter. Vor dem Gendermonster, das mit seinen Verführungskünsten den Kindern die Augen so weit öffnen könnte, dass sie sich dereinst ganz selbstverständlich gegen Diskriminierung einsetzen. Und niemals SVP wählen. Davor, dass das Patriarchat tatsächlich immer stärker wankt. Vielleicht ist ein bisschen echtes Zittern dabei, weil sich dank Feminist:innen überall auf der Welt in Sachen Gleichstellung bereits einiges verändert hat. So wäre etwa, Sternchen hin oder her, die Rückkehr zum reinen generischen Maskulinum in der breiten Gesellschaft wohl nicht mehr mehrheitsfähig. Man darf in jedem Fall Hoffnung haben, wenn sich sogar die Junge Schwyzer SVP, wohl eher aus Versehen denn aus Absicht, in ihrem Initiativtext nicht nur auf beide, sondern auf alle Geschlechter bezieht.

*Korrigenda vom 4. April 2024: In einer früheren Version dieses Textes war fälschlicherweise vom Kanton Zürich die Rede. Richtig ist, dass die Initiative «Tschüss Genderstern!» in der Stadt Zürich eingereicht wurde.