Verkehrspolitik: Das Wunder von Zug

Nr. 10 –

Wie das kantonale Politestablishment ein Strassenbau-Prestigeprojekt erzwingen wollte – und krachend scheiterte.

Ausgerechnet im Kanton Zug, der eine 13. AHV-Rente mit 58 Prozent Nein-Stimmen deutlich ablehnte, versenkten die Stimmberechtigten am letzten Sonntag völlig überraschend ein Strassenbau-Prestigeprojekt. Dabei schien die Ausgangslage äusserst günstig für den 750-Millionen-Franken-Tunnel in der Kantonshauptstadt sowie die Umfahrung von Unterägeri für 310 Millionen Franken.

Erstens «schwimmt» der Kanton Zug im Geld, wie SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler im Vorfeld der Abstimmung öffentlich kokettierte. Bis 2030 werde das kantonale Eigenkapital auf über vier Milliarden Franken anwachsen, so der Politiker. Geld wäre also vorhanden. Zweitens hat sich der dominante rechtsbürgerliche Block inklusive GLP mit grossem Engagement für das Projekt eingesetzt. Und drittens gibt es nirgends in der Schweiz so viele Personenwagen pro tausend Einwohner:innen (749) wie im Innerschweizer Tiefsteuerkanton.

Bürgerliche Zwängerei

Am Ende jubelte aber das links-grüne Lager, das im Parlament nicht mal ein Viertel der Sitze hält und kein einziges Regierungsmitglied stellt. Luzian Franzini, Kantonsrat der «Alternative – die Grünen» (ALG) (siehe WOZ Nr. 2/24), ist am Telefon ebenso überrascht wie erfreut über die Ablehnung des Stadttunnels und der Umfahrung Unterägeri. Doch er hat Erklärungen. «Es fängt beim Geld beziehungsweise bei Tännler an», sagt Franzini. Die ALG müsse im Parlament erbitterte Debatten um eine angemessene Entlöhnung des Reinigungspersonals am Gymnasium führen (Kostenpunkt 90 000 Franken), aber für einen 750-Millionen-Franken-Tunnel «mit zweifelhaftem Nutzen» seien die «Schleusen offen». Diese Willkür der Ausgabe von Steuergeldern erschliesse sich den Stimmberechtigten nicht, so Franzini.

Auch das starke Engagement von Kantons- und Stadtvertreter:innen für den Ausbau des Autoverkehrs sei letztlich kontraproduktiv gewesen. Wie eine parlamentarische Anfrage der ALG ergab, haben der Kanton und die Stadt 200 000 Franken an Steuergeldern für Infoveranstaltungen, Flyer, Inserate und eine eigene Website für den Abstimmungskampf ausgegeben. «Hinzu kommt: Seit den achtziger Jahren gab es bereits drei Abstimmungen zu Stadttunnels. Allesamt gingen verloren. Es grenzt an Zwängerei, was die bürgerliche Mehrheit veranstaltet», so Franzini. Zumal nach einer gescheiterten Vorlage vor knapp zehn Jahren die kantonale Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz mit «Promenade Zug» ein alternatives Konzept zur Verkehrsberuhigung in der Stadt vorschlug. «Die zuständige Baudirektion liess sich aber kein bisschen darauf ein, das Konzept landete in der Schublade. Stattdessen legte sie nun bereits die vierte Tunnel-Abstimmung vor.»

Selbstkritik? Fehlanzeige

Ein weiterer Faktor war gemäss Franzini auch eine Recherche der «Zuger Zeitung». Die zeigte Anfang Februar auf, dass die Anzahl Fahrzeuge in der Stadt gemäss Verkehrsmessungen seit über zehn Jahren zurückgeht – ein eklatanter Widerspruch zur Argumentation der Zuger Regierung, die die Notwendigkeit eines Tunnels stets damit begründete, dass die Stadt verkehrstechnisch an ihre Grenzen stosse. Auf die Nachfrage der Zeitung, weshalb die Baudirektion diese Zahlen nicht selbst bekannt gegeben habe, hiess es, «eine Umstellung der Software» sei der Grund dafür gewesen. «Für die Glaubwürdigkeit des Tunnelprojekts und der gesamten Kampagne war das sicherlich nicht hilfreich», sagt Franzini.

Die ALG fordert nun, dass das «Promenade Zug»-Konzept endlich sorgfältig geprüft und debattiert wird. Derweil verkündet der unterlegene rechtsbürgerliche Block um FDP-Baudirektor Florian Weber öffentlich, alles richtig gemacht zu haben. Schuld an der Ablehnung sei vielmehr die «mangelnde Solidarität» der Stimmberechtigten gewesen.